Umformen im Magnetfeld

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Simone  Herzog © Urheberrecht: IWM

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Simone Herzog

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Elektromagnetisches Umformen von Keramik

Laufzeit: 08/2022 – 08/2023

Motivation

Feucht-extrudierte keramische Massen sind aufgrund ihrer anhaltenden Plastizität nicht in jeder Geometrie durch das extrusionsbasierte, additive Herstellungsverfahren LDM (Liquid Deposition Modeling) druckbar. U.a. Lochungen und Materialüberhänge stellen große Schwierigkeiten dar. Oft ist ein hoher Anteil an Stützstruktur – welche nachträglich aufwändig entfernt werden muss – notwendig, um digital entwickelte Bauteile zu produzieren. Dabei ermöglicht das digitale Fertigungsverfahren LDM von plastischen Tonmassen in Industrie und Baugewerbe einen neuen Blick auf etablierte und materialbezogene Gestalt- und Formgebung. Präzise Fertigungsverfahren durch digitale Modelle sind vergleichsweise schnell, kostengünstig und nachhaltig. Bei der Umsetzung in die stoffliche Welt, spielen jedoch materialspezifische Eigenschaften und Bedienereinfluss eine entscheidende Rolle. Das gedruckte Bauteil entspricht nicht dem digitalen CAD-Modell!

Vorgehensweise

Um das klassische Verformungsverhalten im LDM-Prozess kontrollieren zu können, wurde die Ton-Matrix um korrosionsfreie Stahlpartikel ergänzt, die über ein Magnetfeld angezogen werden können. Ziel war die Entwicklung eines keramischen Verbundwerkstoffs, der im LDM durch Anlagenmodifikation und Einflussnahme elektromagnetischer Kräfte verdichtet, stabilisiert und umgeformt werden kann. Eine testweise Erweiterung der prozessierbaren Werkstoffe erfolgte für die typische Konstruktionskeramik Al2O3.

Ergebnisse

Im Werkstoffsystem Ton-Stahl konnten folgende Rückschlüsse gezogen werden:

  • Die Integration von korrosionsbeständigen Stahlpartikeln in eine liquide Tonmasse ermöglichte die kontrollierte Verformung gedruckter Wände durch Magnetfelder.
  • Die Korrosion der Stahlpartikel in der Flüssigkeit wurde durch einen Chromgehalt von über 15 Gew.-% begrenzt. Nach 3 Tagen konnte kein Unterschied in der Dicke der gebildeten Chromoxidschicht festgestellt werden, wie Schliffe des gesinterten Verbundmaterials zeigten.
  Abbildung 1 Urheberrecht: © IWM

Abbildung 1: Lichtmikroskopische Aufnahmen von luftgesinterten Verbundwerkstoffen, die aus Ton mit (a) Eisenpartikeln oder (b,c) 430L-Stahlpartikeln bestehen. Die Proben wurden getrocknet und sofort (a, b) oder nach 3 Tagen (c) gesintert.

 
 
  • Die Sinterung des Verbundwerkstoffs konnte auf die gleiche Weise wie bei reinem Ton durchgeführt werden und es wurden rissfreie Biegestäbe erhalten. Es wurden bis zu einem Stahlgehalt von 40 Gew.-% in der liquiden Masse keine zusätzlichen Reaktionen zwischen Stahl und Ton beobachtet.
  • Die ermittelte Vier-Punkt-Biegefestigkeit von 7 MPa stellt eine signifikante Abnahme der Festigkeit nach der Integration von Stahlpartikeln dar. Die entsprechende Festigkeit des reinen Tons lag bei 66 MPa.
  • Das Druckmuster beeinflusste Biegefestigkeit monolithischer Tonstäbe.
  Abbildung 2 Urheberrecht: © IWM

Abbildung 2: (a) Druckmuster 1, 2 und 3 der verschiedenen geprüften Gruppen von Biegebalken. (b) Weibull-Diagramm von reinem Ton, der mit den verschiedenen Druckmustern bedruckt wurde. (c) Weibull-Diagramm von reinem Ton und Ton mit 17,5 Gew.-% AISI 630-Partikeln, beide gedruckt in Muster 2.

 
 

Erkenntnisse aus dem Umformen im (elektro-) magnetischen Feld sind folgende:

  • Trotz der fast 10-fach höheren Haftkraft des Elektromagneten (40 kg) im Vergleich zum Permanentmagneten (4,4 kg) konnte dieser gedruckte Wände schlechter umformen. Dies wird auf den Verlauf der Magnetfeldlinien zurückgeführt. Um die Anziehungskraft des Dauermagneten auf die Wand zu stoppen, wurde erfolgreich eine lineare Verfahreinheit in den Versuchsaufbau integriert.
  • Formung von additiv gefertigten labilen Strukturen in Keramik durch Magnetfelder birgt das Risiko eines Kollapses zwischen Magnet und gedrucktem Objekt. Zur Kontrolle des Abstands wurde ein optischer Sensor integriert. Progressiv abnehmende Abstände konnten einen möglichen Kollaps vorhersagen und wurden als Signal für das Zurückziehen des Permanentmagneten interpretiert.
  • Eine gute Verformungsstrategie wurde gefunden, indem mehrere Phasen der Annäherung und des Rückzugs des Dauermagneten kombiniert wurden, um eine Entspannung des flüssigen Materials zu ermöglichen.
  Abbildung 3 Urheberrecht: © K:G

Abbildung 3: Verformung der Wand: (a) durch einen Permanentmagneten und pulsierende Bewegung (ohne Lasersensor); (b) schematischer Vergleich mit der Ausgangslage.

 
 

Im Gegensatz zum System Ton (+Stahlpartikel) weist die Paste aus reinem Aluminiumoxid nach dem Trocknen keine Grünfestigkeit auf. Daher war die Zugabe von Bindemitteln und Dispergiermitteln erforderlich. Insgesamt wurden 17 verschiedene Rezepturen mit unterschiedlichen Gehalten an Al2O3-Partikeln, deionisiertem Wasser, Dispergiermittel Dolapix und Bindemittel Aquazol getestet. Für jeden Ansatz wurde die Extrudierbarkeit durch eine Spritze, die Formstabilität beim Trocknen und die Homogenität bewertet.

  • Die optimierte Paste bestand aus 84 Gew.-% Tonerde, 12,4 Gew.-% Wasser, 1,75 Gew.-% Dolapix und 1,75 Gew.-% Aquazol. Zur Verteilung des Aquazols wurde es in 60 °C (1:1 Gewichtsteile) entionisiertem Wasser aufgelöst.
  • Aufgrund der geringen Wasseraufnahme des Al2O3 konnte ein beliebiger Anteil durch Stahlpartikel ersetzt werden, ohne dass sich die Viskosität qualitativ veränderte.
  • Biegebalken aus reinem Aluminiumoxid und Aluminiumoxid + Stahlpartikel wurden gedruckt und bei 1400 °C an der Luft gesintert.
  • Die charakteristische Festigkeit des Verbundwerkstoffs (99 MPa) ist ähnlich hoch wie die Festigkeit des reinen Aluminiumoxids (90 MPa). Im Gegensatz dazu ist die Festigkeit von konventionell gesintertem Material gering. Als erster Erfolg ist jedoch zu sehen, dass die Partikelintegration die Festigkeit nicht reduziert, wie es bei dem System Ton+Stahlpartikel der Fall war.

Partner

  • Lehrstuhl für künstlerische Gestaltung (K:G), RWTH Aachen University

Publikationen

Klug, C.; Herzog, S.; Kaletsch, A.; Broeckmann, C.; Schmitz, T.H. Forming of Additively Manufactured Ceramics by Magnetic Fields. Ceramics 2022, 5, 947-960. https://doi.org/10.3390/ceramics5040068

Förderhinweise

  • Gefördert vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) und dem Ministerium für Kultur und Wissenschaft des Landes Nordrhein-Westfalen (MKW) im Rahmen der Exzellenzstrategie von Bund und Ländern

Fördernummer: G:(DE-82)EXS-SF-OPSF647