Gefügesimulation des Reaktivlötens

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Simone  Herzog © Urheberrecht: IWM

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Simone Herzog

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Problemstellung

Keramische sauerstoffleitende Membranen können bei Temperaturen über 750 °C und einem anliegenden Sauerstoffpartialdruckgefälle Sauerstoff aus der Luft selektiv abscheiden. Wird dieser Sauerstoff als Verbrennungsgas z.B. im Rahmen einer Oxyfuel-Verbrennung genutzt, ist es möglich das entstehende CO2 abzuscheiden und zu speichern oder chemisch umzuwandeln. Zur der industriellen Umsetzung dieser Membrantechnologie muss eine zuverlässige, gasdichte und hochtemperaturstabile Fügung der Keramikmembranen an Metallkomponten entwickelt werden.

In Vorgängerprojekten konnten bereits unterschiedliche Lötverfahren für die Keramik Ba0,5Sr0,5Co0,8Fe0,2O3- d (BSCF) getestet werden. Lediglich das Reaktivlöten (kurz: RAB - Reactive Air Brazing) von BSCF mittels Ag-CuO Loten an den austenitischen Stahl X15CrNiSi25-21 kann potenziell die hohen Anforderungen erfüllen. Allerdings bildeten sich während des Lötens an der Grenzschicht der Keramik neue Phasen und Mikrorisse, welche die mechanischen Eigenschaften verschlechtern.

Nun soll im Nachfolgeprojekt simuliert werden, wie und warum sich diese Reaktionsschicht bildet. Die Erkenntnisse werden genutzt, um anschließend durch eine Prozessanpassung die Reaktionsschichten vermeiden oder vorteilhaft gestalteten zu können.

Zielstellung

Entwicklung einer Methodik für die quantitative Vorhersage der Schädigung in den Diffusionsschichten reaktivgelöteter BSCF-Stahl-Verbunde

Ergebnisse

  • Eine vorläufige thermodynamische Datenbank für das Lot und die BSCF-Keramik mit den Elementen Ag, Ba, Co, Cu, Fe, Sr und O wurde konstruiert. Erste Berechnungen für die Reaktion zwischen Lot und BSCF-Keramik konnten durchgeführt werden (siehe Abbildung 1).

  Abbildung 1 Urheberrecht: © IWM

Abbildung 1: Berechneter isothermer Schnitt a) bei 970 °C, 0,21 atm O2 in Ag-Co-Cu-O und b) bei 1000 °C im System Ba-Fe-O für den Bereich BaO-FeO-Fe2O3.

 
 
  • Die chemische Zusammensetzung und Phasenstruktur der Korntripelpunkte in reaktivgelötetem BSCF wurde identifiziert. Es handelt sich um drei fcc-Phasen (BSCF, Co3O4 und CoO) sowie die monokline CuO-Phase mit Randlöslichkeit für Co/Cu (siehe Publikation 1).
  • Die Kornvergröberung im BSCF in der Reaktionszone zum Lot und die Beobachtung von Tripelpunktphasen kann durch die „Benetzung“ der Korngrenzen durch einen dünnen (Nanometer-Skala) Schmelzfilm aus flüssigem Lot erklärt werden. Die Physik der Benetzung entspricht dabei dem Phänomen des „Grain boundary premelting“.
  • Phasenfeldsimulationen auf der Kornskala reproduzieren die beschleunigte Kornvergröberung unter Ausbildung von gestreckten Körnern im BSCF im Bereich der Reaktionszone zum Lot.
  Abbildung 2 Urheberrecht: © IWM

Abbildung 2: Vergleichende Darstellung der länglichen Kornvergröberung durch a) Lichtmikroskopie und b) EBSD Aufnahme einer Benetzungsprobe BSCF mit Ag-14CuO und c) durch Phasenfeldsimulation mit variierter Korngrenzenmobilität.

 
 
  • Wärmeausdehnungskoeffizienten der mikroskopischen Phasen im Tripelpunkt reaktivgelöteter BSCF-Keramik konnten durch Dilatometrie makroskopischer Pulvernachbildungen ermittelt werden. Hierzu eignete sich die Verfahrensfolge Pressen von Pulvern, Sintern, Homogenisierung bei geeigneter Temperatur laut Phasendiagramm, Abschrecken, Phasenkontrolle durch XRD und Dilatometrie (Publikation laufend)
  • Es wurden phasenspezifische Modellparameter mit inversen multiskaligen Modellen bestimmt. Die Bruchspannungen des reinen BSCFs werden von der inversen Modellierung überschätzt, worauf die Extremwertanalyse der Poren im BSCFs hindeutet. Die stark variierende innere Struktur der Tripelpunktphase resultiert in einer großen Anzahl möglicher Wärmeausdehnungskoeffizienten und elastischer Konstanten in Abhängigkeit von der Temperatur. Diese Modellparameter bestimmen die quantitative Höhe der lokalen Beanspruchung in Form von Eigenspannungen. In Kombination mit den Bruchspannungen des BSCFs bestimmen Sie damit die Rissinitiierung im Modell.
  • Das mikromechanische Modell zur Simulation der prozessbedingten Eigenspannungen zeigt hohe Eigenspannungen an der Phasengrenze BSCF-TPP (siehe Abbildung 3)
  Abbildung 3 Urheberrecht: © IWM

Abbildung 3:

Oben: Mit RVE-Simulation bestimmte Eigenspannungen II. Art der RVEs A, B und C für unterschiedliche Parameter der Tripelpunktphase ((a) Einzelphase Co3O4 und b) Multiphase TPP in Abbildung 5a)) über der Zeit und Abkühlkurven;

Unten: Beispielhafter Spannungsplot für RVE B mit Parameter der TPP- Einzelphase Co3O4.

 
 
  • Die mikromechanische Simulation zeigte, dass zum vorteilhaften Gestalten der Reaktionsschichten (1) die Größe der Tripelpunktphasen gering, (2) die Form sphärisch und (3) möglichst wenig Co3O4 gebildet werden sollte.
  • In Benetzungsversuchen wurde unterhalb eines CuO-Gehalts von 1-3 mol% gar keine Mikrostrukturvergröberung mehr beobachtet. Vermutlich können CuO-arme Schmelzen die Korngrenzen nicht mehr ausreichend benetzen, die Tripelpunktphasen bilden nicht aus und setzen das BSCF nicht unter Zugspannungen. Vorteilhafte Prozessparameter sind daher: tLöt = 6 min, TLöt =950-970 °C, CuO-Gehalt x in mol%: 1 ≤ x <3.
  • Verschiedene Diffusionsbarrieren zur Reduzierung der Chromdiffusion aus dem metallischen Fügepartner in die Keramik wurden vor Lötung auf den metallischen Fügepartner aufgebracht. Dadurch erhöhte sich die Festigkeit nach 1000 h Alterung bei 850 °C signifikant. Die Beschichtungskonzepte sind vermutlich auf andere reaktivgelötete Keramik-Metall-Verbunde übertragbar und können damit einen wichtigen Beitrag zur industriellen Akzeptanz des Reaktivlötens leisten (siehe Abbildung 4)
  • Durch Aufbringen geeigneter Diffusionsbarrieren ist die Zersetzung der BSCF-Keramik infolge einer Chromvergiftung vermeidbar. Für die Anwendung als Sauerstofftransportmembran ist das langzeitstabile Gefüge der gefügten BSCF-Keramik eine wichtige Voraussetzung (siehe Cr-Mapping in Abbildung 4)
  Abbildung 4 Urheberrecht: © IWM

Abbildung 4: Erhöhung der Verbundfestigkeit nach 1000 h Alterung bei 850 °C durch Voroxidation des metallischen Fügepartners bei gleichzeitiger Unterdrückung der Chromvergiftung im BSCF.

 
 

Dokumentation

  • L.C. Ehle, S. Richter, S. Herzog, C. Broeckmann, J. Mayer, Identification of Cu-Co-oxide phases of reactive air brazed Ba0.5Sr0.5Co0.8Fe0.2O3-δ - Ag-14CuO joints by EBSD, EPMA and TEM diffraction, IOP Conf. Ser.: Mater. Sci. Eng. 891 (2020) 12012.

  • S. Herzog, G. Boussinot, A. Kaletsch, M. Apel, C. Broeckmann, Microstructure coarsening in Ba0.5Sr0.5Co0.8Fe0.2O3-δ during reactive air brazing, Journal of the European Ceramic Society 42, Issue 13 (2022), pp. 5842-5850.
  • S. Herzog, A. Kaletsch, C. Broeckmann, Reduced strength degradation of reactive air brazed BSCF membranes by pre-oxidation of metallic components, J. Mat.Sci.Eng. A, 857 (2022) https://doi.org/10.1016/j.msea.2022.143993
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