LPBF-Pulverbaukasten zur gezielten Einstellung von Bauteileigenschaften

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Marie Luise  Köhler © Urheberrecht: IWM

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Marie Luise Köhler

Gruppe Werkstofftechnik Additive Fertigung

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+49 241 80 99245

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Thema

Im durchgeführten Projekt wird eine Methodik zur Realisierung von LPBF-Bauteilen mit individuell auf das spezifische Anforderungsprofil zugeschnittenen Eigenschaften durch die Verarbeitung von Pulvermischungen und die in-situ-Legierungsbildung im LPBF-Schmelzbad vorgestellt. Dieser Ansatz kombiniert die werkzeuglose, geometrisch flexible Urformung mit dem Legieren des Werkstoffs in einem einzigen Prozessschritt. Mit einer begrenzten Auswahl an Ausgangspulvern, die in großen Mengen kommerziell verfügbar sind, lassen sich nach dem Pulverblockprinzip sehr flexibel zahlreiche neue Legierungen mit einem maßgeschneiderten Eigenschaftsprofil herstellen.

Problemstellung

Traditionell hergestellte Metallbauteile haben sich im Laufe der Jahre hinsichtlich der verwendeten Materialien stark spezialisiert. Für zahlreiche Anwendungen wurden Legierungen mit besonderen Eigenschaften entwickelt. Auf dem Markt gibt es daher eine Vielzahl von Materialien, die für unterschiedliche Produktionsketten geeignet sind. Bei der additiven Fertigung, insbesondere beim laserbasierten Pulverbettschmelzen (LPBF), das heute bereits weit verbreitet ist, bieten viele Anlagenhersteller nur eine begrenzte Auswahl an Metallpulvern an. Insbesondere bei korrosionsbeständigen hochlegierten Stählen gibt es in der konventionellen Produktion viele Legierungsvarianten, darunter austenitische, rost- und säurebeständige Stähle, preiswerte ferritische, hitze- und wärmebeständige Legierungen, Duplex- und Superduplexstähle und korrosionsbeständige martensitische Stähle.

Ziele

Im Rahmen des Forschungsprojekts soll die Machbarkeit des vorgeschlagenen Verfahrens am Beispiel der Werkstoffpalette korrosionsbeständiger Stähle nachgewiesen werden. Die Teilziele des Projekts sind wie folgt: Auswahl der Legierungszusammensetzung auf Basis des werkstoffspezifischen Anforderungsprofils, Bestimmung der Pulverzusammensetzung durch thermodynamische Berechnungsmethoden, Pulveraufbereitung durch angemessene Misch- und Homogenisierungsverfahren, Ermittlung der optimalen Laserprozessparameter, Charakterisierung des Gefüges und die Qualifizierung der mit dieser Methode hergestellten Materialien durch Prüfung ihrer mechanischen und korrosiven Eigenschaften.

Vorgehensweise

Das Projekt ist in sieben Arbeitspakete unterteilt (s. Abbildung ABC). Arbeitspaket (AP) 2 nimmt eine Sonderstellung ein, da diese Arbeiten immer neben den anderen APs laufen müssen. Es dient zur kontinuierlichen Anpassung und Abschätzung des Legierungsdesigns. Die Ergebnisse der metallurgischen Analyse in AP6 werden zur Bewertung von AP3-5 herangezogen, und bestimmen die weiteren Schritte aller anderen Arbeitspakete.

  Arbeitspakete Urheberrecht: © IWM

Abbildung 1: Arbeitspakete

 
 

Ergebnisse

Festlegung der Ziel-Werkstoffeigenschaften/ Materialbeschaffung (AP1)

In Absprache mit dem Projektausschuss wurden die angestrebten Materialeigenschaften bereits in der Antragsphase festgelegt. Diese Materialauswahl musste jedoch durch eine umfassende Abstimmung aller Mitglieder bestätigt werden. Dabei fiel die Wahl auf zwei Materialgruppen: Korrosionsbeständige Werkzeugstähle und nichtrostende Super-Duplex-Stähle. Für den Vergleich der physikalischen Eigenschaften wurden die folgenden Referenzmaterialien verwendet.

- Korrosionsbeständiger Werkzeugstahl: 1.4125, X105CrMo17

- Superduplex-Edelstahl: 1.4501, X2CrNiMoCuWN25-7-4

Um die Pulvermischung herzustellen wurden folgende Pulver von den Projektpartnern bereitgestellt:

Tabelle 1 : Zugelieferte Pulver vom PA

Pulver

Menge

D10 [µm]

D50 [µm]

D90 [µm]

1.2344, X40CrMoV5-1, AISI H13 Lieferant 1

22 kg

8,56

17,22

28,53

1.2344, X40CrMoV5-1, AISI H13 Lieferant 2

50 kg

27,39

41,06

58,78

1.4404, X2CrNiMo17-12-2, AISI 316L

60 kg

20,71

35,84

54,32

2205, X2CrNiMoN22-5-3, 1.4462

75 kg

28,32

43,45

62,08

Cr

30 kg

19,98

37,20

54,00

Mo

3 kg

5,62

15,51

38,34

CrN

0,8 kg

21,88

59,66

99,00

FeCrC

5 kg

10,35

23,52

40,85

Cr3C2

5 kg

1,24

6,63

11,52

TiC

3 kg

10,51

28,20

52,15

Thermodynamische Auslegung der Werkstoffkonzepte (AP2)

Super-Duplex-Stähle

Die 60er Legierung ist aus 1.4462, 1.4404, CrN, Mo und Cr zusammengesetzt. Die theoretische Gesamtzusammensetzung des Werkstoffs ähnelt der Zusammensetzung des Referenzwerkstoffs. Lediglich der Stickstofflegierungsgehalt ist mit >0,5% größer als im Referenzwerkstoff. Die 75er Legierung besteht aus 1.4462, 1.4404, CrN, und Cr. Im Gegensatz zur Legierung 60 wird in diesem Fall auf den Zusatz von elementarem Mo verzichtet. Der Grund dafür ist, dass der Schmelzpunkt von Molybdän bei 2623 °C liegt, also viel höher als die Liquidustemperatur von legierten Stählen (etwa 1500 °C).

  Phasendiagramm Urheberrecht: © IWM

Abbildung 2: Gleichgewichtsberechnung des entwickelten 60er (links) und 75er (rechts) Super-Duplex Stahls (gestrichelt) im Vergleich zum 1.4501 Referenzwerkstoff (durchgezogen).

 
 

Werkzeugstähle

Im Laufe des Projekts gab es eine Reihe von Iterationsschleifen bei der Entwicklung der optimalen Legierung für den Werkzeugstahl. Daher wird im Folgenden eine Tabelle mit den Zusammensetzungen dargestellt:

Tabelle 2 : Entwickelte Mischungen für den Werkzeugstahl

Komponente

C

Si

Mn

Cr

Mo

V

Ni

Ti

Fe

88er

1,23

0,8

0,4

15,4

1,1

0,8

0,0

0,0

80,2

86er

1,28

0,9

0,4

17,6

1,1

0,9

0,0

0,0

77,8

85er

1,27

0,9

0,4

18,6

1,1

0,9

0,0

0,0

76,9

80er

0,93

0,9

0,5

13,0

1,3

1,2

0,8

2,4

79,1

Referenz

1,05

<1

<1

17

0,6

0,0

0,0

0,0

81,3

 
 

Mischungsversuche im Rakelprüfstand (AP3)

Aus dem AP lässt sich ableiten, dass die optimale Mischzeit für die in den Mischversuchen verwendete Pulvermenge und Mischparameter 15 Minuten beträgt. Die Partikelgröße hat im Vergleich zur Partikelform und -dichte den größten Einfluss auf die Mischergebnisse. Für die Dichte und die Partikelform der gemischten Komponenten wurde kein starker Einfluss festgestellt. Die Mischmethode (Dreidimensionaler Schüttelmischer) wirkt der Entmischung aufgrund der Dichte durch die dreidimensionale Bewegung entgegen. Geringere Abweichungen vom Mittelwert wurden bei niedrigeren Anteilen der gemischten Komponenten festgestellt.

Die Rakeltests haben gezeigt, dass die Partikelgröße den größten Einfluss auf die Elementverteilung hat. Der Einfluss von Dichte und Partikelform wird als gering eingeschätzt. Bei sehr feinen Mischungen trat die Entmischung in Richtung des Beschichters auf. Dort setzten sich die feineren Partikel aufgrund der höheren Adhäsionskraft weiter vorne auf der Plattform ab. Rakeltests zeigten, dass die Schichtdicke und die Geschwindigkeit der Beschichtungsanlage das Rakelverhalten beeinflussen.

Herstellung von Probekörpern (AP4)

Für alle Pulvermischungen wurden verschiedene Parametervariationen untersucht. Die Parameterkombination in Tabelle 3 wurde für die Duplex-Demonstratoren und die Proben zu den mechanischen sowie anwendungsorientierten Korrosionsprüfungen angewendet. Sie lieferte zuverlässig hohe Bauteildichten.

 

Tabelle 3 : Parameterset für die Pulvermischungen

Nr.

Leistung [W]

Geschw. [mm/s]

Hatch [mm]

Dichte [g/cm³]

Dichte [%]

VED [J/mm³]

2

195

800

0,05

7,69

98,59%

121,88

 
 

Bei der Verarbeitung der Legierung 88 kam es zu optischen Inhomogenitäten in der Pulverschicht. Die Legierungen 86 und 85 wurden zunächst an kubischen Proben bearbeitet, um die optimalen Parameter zu ermitteln. Beide Legierungen wurden dann zu Korrosions- und Verschleißproben bearbeitet; die Legierung 86 konnte sich ohne Risse auf großflächigen Verschleißproben aufbauen, während die Legierung 85 an den Kanten dieser Proben Kaltrisse entwickelte.

Bei der Bearbeitung der Legierung 80 zu kubischen Probekörpern wurden keine Risse festgestellt; die Entscheidung der EV bedeutete, dass sich das Projekt auf die Legierungen 86 und 85 konzentrieren würde. Aus diesem Grund wurden Korrosions- und Verschleißproben ausgelassen.

Anwendungsorientierte Bauteilprüfung (AP5)

Super-Duplex-Stähle

Abbildung 3 vergleicht 60er und 1.4462 (sehr ähnlich zu 1.4501). Die Ergebnisse zeigen, dass das Diffusionsglühen die Korrosionsresistenz im Vergleich zu den hergestellten Probekörpern verbessert. Auch die Korrosionsbeständigkeit ist im Vergleich zur Legierung 1.4462 verbessert. Dies deutet auf eine homogenere Verteilung der korrosionsbeständigen Elemente in der Matrix der wärmebehandelten Proben hin. Abbildung 4 zeigt das Korrosionsverhalten von 75er im Vergleich zu PBF-LB 1.4462. Hier ist das Korrosionsverhalten sehr ähnlich und die hinzugefügten Elemente haben nur einen geringen positiven Einfluss auf die Korrosionsbeständigkeit.

  Korrisionsverhalten Urheberrecht: © IWM

Abbildung 3 (links) : Korrosionsverhalten vorlegiertes Pulver vs. 60er Mischung.

Abbildung 4 (rechts) : Korrosionsverhalten vorlegiertes Pulver vs. 75er Mischung.

 
 

Werkzeugstähle

Die Korrosionsbeständigkeit der entwickelten Werkzeugstähle wurde hinsichtlich der Neigung für interkristalline Korrosion in 0,1M H2SO4 sowie hinsichtlich Lochkorrosionsneigung in 3,5% NaCl charakterisiert. Die Werte sind in Abbildung 5 zu sehen.

  Stromdichte-Potenzial-Kurven Urheberrecht: © IWM

Abbildung 5 : Stromdichte-Potenzial-Kurven der Korrosionsmessungen in 3,5% NaCl der 86er, 85er und 1.4125 Referenzlegierung im gehärteten sowie gehärtet und 300°C und 500°C angelassenen Zustand.

 
 

Metallurgische Analyse (AP6)

Werkzeugstähle

Die metallografische Analyse der 80 Legierungen bestätigt, dass das TiC gleichmäßig in der Struktur verteilt ist. Mit steigendem Energieeintrag löst sich das TiC während des Prozesses zunehmend auf und scheidet sich als sehr feines TiC wieder aus. Ein Beispiel für eine lichtmikroskopische Aufnahme der Legierung 80 ist in Abbildung 6 dargestellt. Die grauen Karbide werden kleiner und weniger, wenn der Energieeintrag steigt. Die Auswertung der Bildanalyse ergab keine lineare Korrelation zwischen den Veränderungen des Energieeintrags und den TiC-Resten. Eine systematische Analyse ist erforderlich, um die Abhängigkeiten besser zu verstehen.

  Mikrostruktur der 80er Legierung Urheberrecht: © IWM

Abbildung 6 : Mikrostruktur der 80er Legierung mit unterschiedlichem Energieeintrag während des PBF-LB Prozesses und daraus resultierenden unterschiedlichen Mengen unaufgelöstem TiC.

 
 

Super-Duplex-Stähle

Die Ergebnisse der EDX-Messung von Mischung 60er sind in Tabelle 7 aufgeführt. Die gemessenen und berechneten Pulverzusammensetzungen sind jeweils als Referenz angegeben.

Tabelle 4 : Mit EDX gemessene chemische Zusammensetzungen

Element

a) %

b) %

c) %

powder %

(analysed)

Si

0.64

0.62

0.63

0.59

Cr

27.67

27.74

26.80

27.02

Fe

Bal

Bal

Bal

Bal

Ni

6.55

6.62

6.83

6.23

Mo

4.44

4.73

4.68

4.82

  EDX Aufnahme der 60er Mischung Urheberrecht: © IWM

Abbildung 7 : EDX Aufnahme der 60er Mischung

 
 

Entwicklung von Demonstratoren zur Validierung des Prozesses (AP7)

Um die Demonstratoren möglichst anwendungsnah zu gestalten, wurden verschiedene Geometrien dem PA in den Projekttreffen vorgestellt und bewertet. Schließlich wurde sich auf eine Rotorstruktur für den Duplexstahl und eine Messerstruktur für den Werkzeugstahl geeinigt. Die Demonstratoren wurden anschließend am IFAM final gestaltet. Die Messerstruktur wurde als STL-Datei an das IWM verschickt. Beim Bau des Demonstrators am IWM gab es an den überhängenden Strukturen Probleme mit Verzug im Bauprozess. Für eine erfolgreiche Fertigung von Bauteilen müssen für den Werkzeugstahl die Supportstrukturen und die Scanstrategie hinsichtlich spannungsarmer Prozessführung optimiert werden.

 
  Abbildung des gedruckten Duplex-Demonstrators (Groß: 75er Mischung; Klein: 60er Mischung) Urheberrecht: © IWM

Abbildung 8 : Abbildung des gedruckten Duplex-Demonstrators (Groß: 75er Mischung; Klein: 60er Mischung)

 
  BMWi Logo Urheberrecht: © BMWi

Förderhinweis

Das IGF-Vorhaben 20933 N der Forschungsvereinigung Forschungsgesellschaft Stahlverformung e.V. wurde über die AiF im Rahmen des Programms zur Förderung der industriellen Gemeinschaftsforschung (IGF) vom Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz aufgrund eines Beschlusses des Deutschen Bundestages gefördert. Die Langfassung des Abschlussberichtes kann bei der FSV, Goldene Pforte 1, 58093 Hagen, angefordert werden.

 
 

Dokumentation

Im Verlauf des Projektes wurden die aktuellen Forschungsergebnisse von den Forschungseinrichtungen in folgenden wissenschaftlichen Aufsätzen veröffentlicht:

  • Norda, M., Köhler, M..L. et al.: „Influence of Powder Properties on the Mixing Behavior of Metal Powders in LPBF”, Conference Paper, EuroPM 2021
  • Norda, M., Köhler, M..L. et al.: „ Processing and Corrosion Behaviour Of Metal Powder Blends In LPBF”, Conference Paper, AWT Fachkonferenz 2022
  • Köhler, M..L et al.: „Vom Pulver zum additiv hergestellten Bauteil – Teil 2: Potenziale durch Pulvermischungen“ in der Zeitschrift „Werkstoffe“
  • Köhler, M. L. et. al.: “Influence of Cr3C2 Additions o AISI H13 Tool Steel in the LPBF Process”, Steel Research International
  • Köhler, M. L. et. al.: „Influence Of The Powder Particle Size Distribution On The Microstructure Of Laser Powder Bed Alloyed Cold Work Tool Steel”, EuroPM2021
  • Köhler, M. L. et. al.: „Resistance Against Abrasive Wear and Corrosion of a Laser Powder Bed Alloyed High Chromium Tool Steel”, Tooling2022
  • Köhler, M. L. et. Al: “Resistance Against Abrasive Wear and Corrosion of Laser Powder Bed Alloyed High Chromium Tool Steels”, Steel Research International